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Klassenspiel 8. Klasse 04.-06.05 2018

Eine Frage der Barmherzigkeit

Am Wochenende vom 4. - 6. Mai zeigte die 8. Klasse der Freien Waldorfschule Markgräflerland in Müllheim eine beeindruckende Bühnenadaption des „Glöckners von Notre Dame“.

„Potztausend! Du bist die schönste Hässlichkeit, die ich je gesehen habe!“ So schallt es Quasimodo, dem Glöckner von Notre Dame auf dem Marktplatz von Paris entgegen. Und das ist noch einer der eher gutmütigen Kommentare, denen er sich ständig ausgesetzt sieht. Quasimodo ist ein „Krüppel“: Buckel, krumme Beine und ein von Geburt an verunstaltetes Gesicht. So gezeichnet zu sein war kein Spaß im Mittelalter des Jahres 1482. Der Humanismus steckte noch in den Kinderschuhen. Aberglaube war allgegenwärtig und Bildung ein Privileg der Oberschicht. Aus der Geschichte des Glöckners von Notre Dame, der schönen Esmeralda und des unglückseligen Erzdiakons Don Frollo, die Victor Hugo 1831 in seinem Roman in der Welt des Mittelalters angesiedelt hatte, haben die Schülerinnen und Schüler der Freien Waldorfschule Markgräflerland eine bunte und fesselnde Theateraufführung entwickelt. Sie schlüpfen dafür in ungewohnte Rollen und Kostüme. Sie tanzen, singen französische und englische Lieder aus dem 16. Jahrhundert und auch ein Liebeslied der großen Sängerin Edith Piaf ist dabei: die Hymne an die Liebe. Überzeugend ist bei allem das präzise und authentische Zusammenspiel der Schülerinnen und Schüler. Mit wenigen bühnenbildnerischen Details wird die Welt des Mittelalters lebendig. Im Theatersaal der Waldorfschule leuchtet die Fensterrosette von Notre Dame de Paris über dem Bühnengeschehen, das auf einem in den Zuschauerraum reichenden Steg präsentiert wird und so das Publikum direkt in die gezeigte Welt hineinholt. Es ist eine grausame Welt, in der das Gesetz der Gewalt regiert, schnell und ohne weitere Konsequenzen kann einer ausgegrenzt, gehängt oder erstochen werden. Doch alles ändert sich in dem Moment, in dem nur ein Mensch den Mut aufbringt, Barmherzigkeit zu zeigen und dem andern in Liebe zu begegnen. Die Inszenierung verdeutlichte diesen Perspektivwechsel sehr schön durch die Beleuchtung, die die Szene dann in ein anderes, warmes Licht setzte. Die Fragen, die diese Aufführung stellte, können auch und gerade jenseits des historischen Rahmens große Aktualität beanspruchen: Wo begegnen uns heute Spott und Häme? Wie ist es um unser soziales Miteinander bestellt? Was wir im Internet und in den „sozialen“ Medien erleben, ist oft nicht so weit entfernt von der Mentalität des Mittelalters. Hier gelang der 8. Klasse ein Brückenschlag ins Heute. Für den darstellerischen Einsatz, Regie, Kostüme und Lichttechnik gab es zum Abschluss großen Applaus.